Analysemethoden offener Fragen im Vergleich

Es steht ein sehr breit skaliertes Spektrum an Methoden zur Analyse offener Nennungen zur Verfügung – sowohl was das Ergebnispotenzial als auch den Aufwand angeht. Man kann dabei zwischen qualitativer und quantitativer Inhaltsanalyse unterscheiden. Im folgenden Artikel werden die beiden Formen näher betrachtet.

Bei der quantitativen Inhaltsanalyse ist besonders, das in den Sozialwissenschaften gelehrte Kodierverfahren nach Mayring, das eine umfassende statistische Analyse inklusive Berechnung der Interraterreliabilität ermöglicht, zu nennen.

Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring

Am Anfang der Analyse steht die Sichtung des Gesamtmaterials ohne weitere Vorüberlegungen. Hierdurch soll sich der Forscher einen Überblick über die Einzelfälle und über die Merkmalsstruktur der Stichprobe verschaffen. Trotz des offenen Vorgehens wird – wie im folgenden Artikel sichtbar wird – auf eine Kategorisierung von Einzelfällen hingewirkt, welche das eigentliche Forschungsparadigma somit durchkreuzt.

Das konkrete praktische Vorgehen gliedert und erläutert Mayring in einem „allgemeinen inhaltsanalytischen Ablaufmodell“ (Mayring, 2003, S. 53 ff.):

1. Festlegung des Materials

In diesem Schritt wird das zu untersuchende Material definiert. Das Resultat sollte aus dem großen Materialaufkommen eine repräsentative Teilmenge selektiert werden. Kriterien, die dabei beachtet werden sollten sind zeitökonomischen Gesichtspunkten, sowie der Bezug zur Forschungsfrage

2. Analyse der Entstehungssituation

Hier interessiert wer das Material aus welchem Grunde zusammengetragen und ausgewertet hat und was dessen Motive und Zielrichtung in Bezug auf die Forschungsarbeit waren. Außerdem geht es auch noch um die Zusammenhänge, in denen das Material erhoben wurde. Demnach also wer an der Befragung teilgenommen hat, welche sozialen Bedingungen die Befragten hatten sowie in welcher Situation und Atmosphäre die Erhebung stattgefunden hat.

3. Formale Charakterisierung des Materials

Für die qualitative Inhaltsanalyse ist es Mayring wichtig, die Art des zu analysierenden Materials genau zu bestimmen und zu dokumentieren. Es beispielsweise elementar, die Art der Transkription sowie deren Konventionen näher zu benennen, um Eigenarten des vorliegenden Protokolls in der Inhaltsanalyse berücksichtigen zu können.

4. Festlegung der Analyserichtung

Bevor mit der Analyse begonnen wird, muss zunächst festgelegt werden, über welchen Aspekt des vorhandenen Materials Aussagen getroffen werden sollen. Hierdurch wird es ermöglicht, die Analyse auf den thematischen Gegenstand des Materials zu richten, den emotionalen Zustand des Senders zu ermitteln, die explizierten Gehalte des gesprochenen bzw. geschriebenen Wortes präzise zu beurteilen oder die Wirkung auf den Rezipienten zu untersuchen.

5. Theoretische Differenzierung der Fragestellung

Um dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit gerecht zu werden, betont Mayring die Ausrichtung an wissenschaftlicher Theorie und bemüht sich um eine präzise Ausrichtung an Regeln und Systematisierungen, die für ein intersubjektiv nachprüfbares Ergebnis sorgen sollen. Demnach ist es von großer Bedeutung die interpretatorische Arbeit nicht alleine stehen zu lassen, sondern sie muss in die die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Diskussionen zum bearbeiteten Themenspektrum eingeordnet und verknüpft werden.

6. Bestimmung der Analysetechnik

Nun muss entschieden werden, welches inhaltsanalytische Verfahren angewendet werden soll. Mayring unterscheidet folgende 3 Verfahren:

a) Zusammenfassung,

„Ziel der Analyse ist es, das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist.“ (Mayring, 2003, S. 58)

Z1: Paraphrasierung
Z2: Generalisierung auf das Abstraktionsniveau
Z3: Erste Reduktion
Z4: Zweite Reduktion

 b) Explikation

„Ziel der Analyse ist es, zu einzelnen fraglichen Textteilen (Begriffen, Sätzen, …) zusätzliches Material heranzutragen, das das Verständnis erweitert, das die Textstelle erläutert, erklärt, ausdeutet.“ (Mayring, 2003, S. 58)

E1: Lexikalisch-grammatikalische Definition
E2: Bestimmung des Explikationsmaterials
E3: Enge Kontextanalyse
E4: Weite Kontextanalyse
E5: Explizierende Paraphrase
E6: Überprüfung der Explikation

c) Strukturierung

„Ziel der Analyse ist es, bestimmte Aspekte aus dem Material herauszufiltern, unter vorher festegelegten Ordnungskriterien einen Querschnitt durch das Material zu legen oder das Material aufgrund bestimmter Kriterien einzuschätzen.“ (Mayring, 2003, S. 58)

  1. „Definition der Kategorien: Es wird genau definiert, welche Textbestandteile unter eine Kategorie fallen.“
  2. „Ankerbeispiele: Es werden konkrete Textstellen angeführt, die unter eine Kategorie fallen und als Beispiele für diese Kategorie gelten sollen.“
  3. „Kodierregeln: Es werden dort, wo Abgrenzungsprobleme zwischen Kategorien bestehen, Regeln formuliert, um eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen.“

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7. Definition der Analyseeinheit

Mit der „Kodiereinheit“ als kleinste und der „Kontexteinheit“ als größte zu interpretierende Texteinheit, die ausgewertet wird, soll in diesem Schritt genauer festgelegt werden, welche Maßeinheiten des Materials zum Gegenstand der Analyse gemacht werden soll. Ebenso bestimmen diese Analyseeinheiten aber auch die Elemente, welche für die Bildung von Kategorien dienen können. 8. Durchführung der Materialanalyse Die zuvor erwähnten drei Analysetechniken – Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung – müssen nun in Abhängigkeit vom Material und der Forschungsfrage ausgewählt und angewendet werden.

Von Nachteil bei dieser Methode ist, dass sie vorallem für Interviews ausgelegt ist und wie erwähnt eher einzelfallbezogene Ergebnisse liefert.

Quantitative Inhaltsanalyse

 Eine weitere Auswertungsmethode für offene Fragen ist die quantitative Inhaltsanalyse. Dabei wird ein Kategorienschema verwendet, mit dem die offenen Antworten durch einen oder mehrere Codierer codiert werden. Eine quantitative Inhaltsanalyse kann in folgende Schritte unterteilt werden:

1. Entwicklung eines Kategorienschemas

Zu Beginn wird ein Kategorienschema entwickelt, in dem die für die Codierung der offenen Frage relevanten Kategorien beschreiben sind. Diese können von den erhobenen Daten gewonnen oder aus Theorien abgeleitet sein. Meist wird sogar eine Kombination beider Quellen zur Erstellung der Kathegorien genutzt.ategorienschemas genutzt. Jede Kategorie im Kategorienschema wird mit einem Label und einer Kategoriennummer gekennzeichnet, gefolgt von einer Kategoriendefinition und Beispielen, ggf. auch mit einer Abgrenzung zu anderen Kategorien in Form von Codierhinweisen. Zur Verdeutlichung der Kategorien sind Ankerbeispiele, d.h. Textstellen, die die Bedeutung einer Kategorie besonders gut veranschaulichen, nützlich.

2. Codiererschulung

Im Anschluss folgt auf Basis des Kategorienschemas die Codiererschulung und erste Probecodierungen. Daraufhin kann/muss das Schema ggf. überarbeitet werden. Dieser Prozess wiederholt sich bis ein adäquates Maß an Übereinstimmung erreicht wird.

3. Codierung

Daraufhin kann mit der Codierung der gesamten Antworten begonnen werden. Die Codierung kann auf Papier oder direkt am Computer z.B. in SPSS, in einem Excel-Formular oder in spezieller Software z.B. in MAXQda erfolgen.

4. Reliabilitiät

Im vierten Schritt der Inhaltsanalyse sollte die Reliabilität der Codierungen überprüft werden. Dazu wird eine Stichprobe der Antworttexte von einem zweiten Codierer unabhängig vom ersten codiert, und es wird ein Reliabilitätsmaß berechnet. Dieses gibt, unter Verwendung verschiedener Maße (z.B. Cohen’s Kappa, Scott’s Pi oder Krippendorff’s Alpha) Auskunft über die Qualität der Codierung.

5. Datenmanagement

Schließlich wird das Ergebnis der Codierung, in Form von einem oder mehreren Codes pro Antwort, direkt zu den Daten und anderen Variablen der Umfrage hinzugefügt und zusammen mit ihnen analysiert.

Computerunterstützte Inhaltsanalyse

Die Codierung der offenen Antworten kann auch mit Hilfe der computerunterstützten Inhaltsanalyse automatisiert werden. Die Antworten werden hierbei auf der Basis eines inhaltsanalytischen Diktionärs, bzw. Wörterbuchs codiert. Das Diktionär gleicht von der Funktion her dem beschriebenen Kategorienschema, wobei die Codierregeln als Wortlisten formuliert werden. Anstatt Kategorien zu definieren und Ankerbeispiele zu nennen, werden Wörter und Phrasen definiert, die als Indikator für eine Kategorie dienen. Wichtig bei einer computerunterstützten Inhaltsanalyse ist, dass die Texte maschinell-lesbar vorliegen, bzw. aufbereitet werden. Das Ergebnis einer computerunterstützten Inhaltsanalyse entspricht in der Form dem einer Coderbasierten Inhaltsanalyse. Demnach gibt es einen oder mehrere Codes pro Antwort, die direkt zu den anderen Umfragedaten hinzugefügt werden können. Auch bei einer computerunterstützten Inhaltsanalyse muss die Qualität der Codierung überprüft werden, weshalb eine Stichprobe der Texte von einem anderen Codierer codiert wird. Diese Codierung wird dann mit der maschinell erstellten Codierung auf Übreinstimmung hin geprüft. Geeignete Software, die die Entwicklung des Diktionärs unterstützt und die die automatische Codierung durchführt wäre:

Vorteilhaft bei der computerunterstützten Inhaltsanalyse ist, dass große Datenmengen schnell und reliabel codiert werden können. Dabei darf aber keines Falls sollte der Aufwand der Definition und Validierung geeigneter Wortlisten unterschätzt werden.

Literatur: 

Früh, W. (2017). Inhaltsanalyse. 9. Auflage. München: UVK.

Mayring, P. (2003). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz.

Porst, R. (2011). Fragebogen. Ein Arbeitsbuch. Wiesbaden: VS-Verlag.

Züll, C., & Mohler, P. P. (2001). Computerunterstützte Inhaltsanalyse. Codierung und Analyse von Antworten auf offene Fragen. GESIS